Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 10. Oktober 2017 (1 BvR 2019/16) festgestellt, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht die geschlechtliche Identität schützt. Es schütze auch die geschlechtliche Identität derjenigen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen.
Daraufhin erfolgte eine Änderung des Personenstandgesetzes, welches nunmehr neben den Kategorien „weiblich“ und „männlich“ auch die Bezeichnung „divers“ für Menschen eine weitere Option ermöglicht, die sich nicht dem binären Code weiblich-männlich zuordnen lassen oder lassen wollen.
Das Gesetz hat nun unmittelbare Auswirkungen auf den Gebrauch der deutschen Sprache. Diese hat, wie allgemein bekannt, nur den sächlichen Artikel „das“ um etwas geschlechtsneutral ausdrücken zu können. So können nur Dinge neutral benannt werden (sonderbarerweise findet es aber auch Verwendung für „das“ Mädchen und „das“ Weib). Um Menschen respektvoll anzusprechen und zu benennen werden schon seit Jahren das BinnenI, der Asterisk, der Doppelpunkt, ein Schrägstrich, ein Endungs-X oder ein Unterstrich verwendet.
Dass das generische Maskulinum die Vielfalt der biologischen und soziologischen Geschlechter repräsentiere, darüber gibt es kontroverse und widersprüchliche Diskussionen. Trotzdem ist ein Großteil der Menschen, die es betrifft, dies sind insbesondere Frauen und Menschen aus dem LGBTIQ Kontext, einig darin, dass sie nicht nur höflich mitgemeint sein möchten, wenn ausschließlich männliche Personen angesprochen werden.
Mit Skepsis sieht der LFR der für den 26. März 2021 geplanten Empfehlungen des Deutschen Rechtschreibrates zur geschlechtergerechten Sprache entgegen. In einer uns vorliegenden E-Mail vom 12. Januar 2021 heißt es: „Da der Stern, ebenso wie die anderen verkürzten Formen…gegen die Regeln der Orthografie verstößt, ist die Verwendung in der Schule nicht regelkonform und müsste (allem voran im Deutschunterricht) als Fehler gewertet werde,
Wir fordern die Mitglieder des Rates deutscher Rechtschreibung, dem die Sorge für die Bewahrung und die Weiterentwicklung der deutschen Sprache obliegt und der die maßgebende Instanz in Fragen der deutschen Rechtschreibung ist, dringend auf, die geplanten Empfehlungen zur geschlechtergerechten Sprache nicht verbindlich umzusetzen.
Die Nutzung geschlechtergerechter Sprache, die u.a. zum Ziel hat, die Diversität der Gesellschaft in Bezug auf Geschlechtsidentität sichtbarer zu machen, setzt sich in vielen Bereichen immer mehr durch, stößt aber auch auf Kritik. Für Angehörige von Gruppen, die von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (im Sinne der in GG Art 3 genannten Kategorie) betroffen sind, ist deren Nutzung nicht nur ein formaler Akt, sondern drückt auch eine Haltung aus. Das Recht erwähnt zu werden, sichtbar zu werden und (mit)gedacht zu werden steht hier letztlich hinter der sprachlichen Formulierung.
Sollte nun aufgrund der vom RdR geplanten Neuerungen sowohl Genderstern, als auch Binnen I, Gendergap und Schrägstrich als falsch normiert werden, wäre dies ein Affront für all die Menschen, die nicht männlich sind.
Hier erfolgt nicht nur die Zementierung der aktuellen Rechtschreibnorm, hier würde in einen Prozess der Sprachentwicklung, der zur Zeit noch offen ist, massiv eingegriffen werden. Ja, er würde vielleicht sogar gestoppt werden, wenn in Schulen zwangsweise jetzt „SchülerIn“ als Fehler benotet werden würde. Die Frage stellt sich auch für Verwaltungen, die bereits eine gendergerechte Sprache verbindlich umsetzen (Hannover, Kiel, Lübeck etc.) Wie verhält sich der RdR zu diesen Regelungen?
Der RdR, der qua Status zwischen Bewahren und Entwicklung der deutschen Sprache steht und beiden Tendenzen gerecht werden muss, stünde in Verdacht, zu versuchen eine progressive gesellschaftliche Entwicklung abzuwürgen. Hier wird nicht im Sinne von „conservare“ Schützenswertes bewahrt, mit der Normierung würden unnötig im Bereich der Sprache Freiheiten einer immer diverser werdenden Gesellschaft beschnitten. Dies erscheint reaktionär.
Eine solche Entscheidung würde eben nicht nur den Bereich der sprachlichen Normierung betreffen, sondern massiv in den gesellschaftlichen und politischen Bereich hineinwirken.
Aus unserer Sicht überschreitet der RdR damit seine Kompetenzen und beschneidet Freiheiten, wo es wegen der Verständlichkeit gar nicht nötig wäre. Um des Ziels der Einheitlichkeit würde Zwang ausgeübt und das Signal gegeben, es sei falsch als z.B. Frau in Begriffen wie PilotIn, Richter_in oder Handwerker*in sichtbar, lesbar und hörbar gemacht werden zu wollen. Müssten nicht Schülerinnen und Schüler, die sich mit dieser aktuellen Diskussion ernsthaft auseinandersetzen und das in einer kreativen Schreibweise zum Ausdruck bringen, nicht besonders bestärkt und zumindest toleriert werden können?
Man kann nach Watzlawick nicht nicht kommunizieren und ein solches Signal des RdR wäre in ethischer und philosophischer Hinsicht fatal. Soll es wirklich um Vereinheitlichung als Zwang in einer immer diverseren Gesellschaft gehen?
Wir fordern Sie hiermit auf, die Empfehlung dahingehend umzusetzen, dass gendergerechte Formulierungen in all ihren Spielarten zu tolerieren und nicht als fehlerhaft zu bewerten sind.
Bewahren Sie die breiten Möglichkeiten, die das Deutsche in Hinblick auf geschlechtergerechte Sprache bietet. Es besteht derzeit keine Notwendigkeit über Regularien zu entscheiden, stattdessen bleibt eher abzuwarten, in welche Richtung der Prozess der Sprachentwicklung geht und den Entwicklungen der Sprache d.h. letztlich der Gesellschaft hier Raum zu geben.
Sprache nämlich ist nie neutral, sondern spiegelt immer auch gesellschaftliche Machtverhältnisse. Geben Sie dieser Entwicklung Raum.
Der Vorstand des LandesFrauenRates Schleswig-Holstein e.V.